Lichtmalerei, Malen mit Licht
Wir Fotografen verwenden häufig den Ausdruck "Malen mit Licht", dabei steckt "Licht" schon im Namen Fotografie, abgeleitet vom griechischen ??? (fos).
Bei der Lichtmalerei, die besser unter ihrem englischen Namen Light Brush bekannt ist, handelt es sich um eine ganz besondere Belichtungstechnik. Dabei fotografieren wir bei sehr langer Belichtungszeit in sehr dunklen bis absolut dunklen Räumen und beleuchten unser Sujet mit einer Taschenlampe. Dabei ist nicht untypisch, wenn auch nicht Voraussetzung, dass die Taschenlampe das Sujet nicht auf einmal vollständig beleuchtet. Wir fahren das Sujet mit dem Lichtkegel der Taschenlampe ab oder variieren den Lichtkegel auf andere weise, so dass über mehrere Sekunden oder auch Minuten hinweg insgesamt ein vollständiges Bild entsteht, das aus der Summe aller einzelnen Beleuchtungen entsteht.
Dabei werden die Teile des Bildes heller, an denen der Lichtkegel länger verweilt oder häufiger hin strahlt oder bei denen die Taschenlampe näher am Sujet ist als bei anderen. Auf diese Weise kann der Künstler mit Phantasie und feinem Gespür für Zeit und Licht praktisch beliebige Lichtakzente setzen.
Bei dieser Technik entstehen insofern Unikate, als dass eine identische Fotografie kaum ein zweites Mal genau so erzeugt werden kann. In wie weit man bei digitalen Fotografien überhaupt von Unikaten sprechen kann, möchte ich hier allerdings nicht diskutieren.
Vorgehensweise
Ablauf
1. Licht aus
2. Verschluss öffnen
3. Taschenlampe einschalten und die Szene beleuchten
4. Lampe aus
5. Verschluss schließen.
Stativ
Die Kamera gehört auf ein Stativ. Nimm ein stabiles Stativ, denn die Kamera soll während der relativ langen Belichtungszeit nicht wackeln. Stabile Stative sind leider schwer und meist eher teuer. Das gleiche gilt für den Stativkopf.
Löse die Kamera mit Hilfe einer Fernsteuerung aus. Ich verwende dafür einen Kabelfernauslöser, den ich auch arretieren kann. Du könntest auch eine App verwenden oder die Kamera über einen Computer fernsteuern. Allerdings könnte das Licht des Bildschirms Dein Lichtset empfindlich stören. (s.u.)
Raum
Du solltest den Raum völlig verdunkeln können. Notfalls machst Du die Aufnahmen halt in der Nacht.
Wenn alles dunkel ist dann darfst Du ruhig etwas Licht sehen wenn Du nachts aus dem Fenster schaust oder wenn etwas unter der Tür durchleuchtet. Im Zweifel machst Du ein Probebild bei mit den gleichen Einstellungen wie bei der Aufnahme, also z.B. 100 ASA, 1 Minute, Blende 11. Und dann schau Dir das Bild und das Histogramm an. Das Bild muß schwarz geblieben sein, dann ist es im Raum nicht zu hell.
Dielenböden und Laminat u.ä. können eine Schwachstelle sein. Wenn Dein Stativ auf dem selben Holzfußboden steht, wie Du selbst, dann übertragen sich Deine Bewegungen als Verwackeler auf die Kamera. Dagegen hilft meines Wissens auch kein Bildstabilisator (das sollte ich mal probieren ... ) weil die Belichtungszeit insgesamt sehr lang ist. Wenn Du solch einen Fußboden hast, dann wirst Du keine andere Wahl haben als während der ganzen Aufnahme still zu stehen.
Mir ist das bei ähnlichen Aufnahmen mit relativ dunklem Dauerlicht bereits passiert. Die Belichtungszeit war dabei wenige Sekunden. So lange konnte ich still stehen. Aber ein Lightbrush würde ich mir auf solch einem Untergrund nicht zutrauen.
Das Making-Of rechts ist von einem spontanen Workshop in einem Studio. Die meisten Fotos in diesem Artikel sind daheim in der Rumpelkammer entstanden. Es braucht wirklich nicht viel dafür.
Einstellungen
Stell die Kamera auf M und die Zeit auf bulb. (Bulb kommt meist hinter der 30" für 30 Sekunden). Bei Kameras mit B-Modus stell sie auf B. Das ist das gleiche.
Nimm 50, 100 oder 200 ISO, je nachdem, welche Einstellung an Deiner Kamera die geringste ist. Meine Beispiele beziehen sich auf 100. Schalte die ISO-Automatik aus.
Beginne mit Blende 11. Wenn Dir Dein Bild zu hell oder zu dunkel ist, dann hast Du verschiedene Möglichkeiten, das zu ändern.Du kannst die Blende weiter öffnen (heller, z.b. 5.6) oder schließen (dunkler, z.B. 16). Du kannst den ISO-Wert erhöhen, um ein helleres Bild zu bekommen. Oder Du bewegst den Lichtkegel langsamer (heller) oder schneller (dunkler). Du könntest auch mit der Lampe näher ans Sujet gehen (heller) oder weiter weg (dunkler), allerdings wird dabei der Lichtkegel auch entsprechend enger oder weiter.
Probier das einfach aus.
Du brauchst keine Spiegelvorauslösung zu aktivieren.
Rechne mit Gesamt-Belichtungszeiten im Bereich von 10 Sekunden bis hin zu mehreren Minuten - je nachdem.
Falls Du zum ersten mal mit so langen Belichtungszeiten fotografierst, dann erschrick nicht, wenn die Kamera nach der Aufnahme lange "busy" anzeigt. Das ist die Langzeitrauschunterdrückung, während der die Kamera genau so lange blockiert ist, wie die Aufnahme gebraucht hat.
Scharfstellen
Richte Dir Dein Set bei Licht ein und stelle vom Stativ aus scharf. Danach spätestens schaltest Du den Autofokus aus und berührst die Scharfeinstellung nicht wieder, ausser Du mußt sie korrigiren.
Lichtführung
Prinzipiell wird das Licht beim Lightbrush genau so geführt wie bei jedem anderen Foto auch. Licht ist Licht. Und seine Physik ist dabei die gleiche, egal ob es nun aus einer Taschenlampe kommt oder einem Blitzkopf.
"Aber das Licht aus einer so kleinen Lichtquelle wie einer Taschenlampe ist doch sehr hart" wirst Du jetzt denken. Und das ist richtig. Wir könnten die gleichen Lichtformer verwenden oder indirekt leuchten um z.B. dem ganzen Set eine gleichförmige diffuse Grundhelligkeit zu geben o.ä.
Wir haben beim Lightbrush aber ein weitere Dimension - den Faktor Zeit. Während der langen Belichtungsphase kannst Du die Taschenlampe ständig bewegen oder auch mal an einem Platz halten, näher ran gehen oder weiter weg, zwischendurch ausschalten und dann von einer ganz anderen Richtung erneut leuchten. Im Bild kann das dann so ausschauen, als hättest Du sehr viele Lichtquellen gleichzeitig eingesetzt und damit ganz normal fotografiert.
Der Faktor Zeit wird bei dem Bild rechts deutlich. Dafür musste ich allerdings lange üben :-) Der Trick war dabei, die Taschenlampe zunächst weit weg zu halten, um das ganze Gesangbuch zu beleuchten und ihm diese Grundhelligkeit zu geben und sie dann in einer geraden Linie auf den Text "Adventslieder" zuzubewegen, damit dort ein Lichtakzent entsteht.
Durch den Faktor Zeit ist Deine eine Taschenlampe aber auch ganz viele Lichtquellen gleichzeitig, wenn Du das möchtest.
Das Beispiel mit dem Knoblauch soll Dir zeigen, wie sich die Lichtrichtung auf das fertige Bild auswirken kann. Im linken Bild habe ich die Knolle eher von vorn links fotografiert, im rechten Bild ausschließlich von hinten (oben, links und rechts).
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Lichtkegel
Vielleicht hast oder findest Du noch eine Taschenlampe mit Glühbirne, die sich so richtig gut fokussieren läßt um wahlweise einen breiten oder einen sehr engen Lichtkegel zu bekommen. Ich hab keine Gefunden. Aber ich hab einen Weg gefunden, praktisch jede Taschenlampe eng zu fokussieren. Steck dazu die Lampe in eine selbstgebastelte Röhre aus schwarzem Karton. Schwarzer Karton ist noch etwas besser als die Versandrolle, die ich hier gerade verwendet habe.
Die Taschenlampe hängt an einem Faden, mit dem ich sie je nach Bedarf tiefer oder weniger tief in die Röhre hinein ziehe. Der Effekt wird hier illustriert:
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Ausschlaggebend ist der innere helle Lichtkegel. Das Streulicht aus der Röhre reicht nicht weit, wäre aber auch sehr viel geringer, wenn die Rolle zumindest innen schwarz wäre.
Lichtarten
Im Wesentlichen hast Du die Wahl zwischen zwei Lichtarten, wenn es um Taschenlampen geht. Da gibt es an jeder Ecke welche mit LEDs, die für diese Sache nichts taugen, und immer schwieriger zu besorgen sind welche mit Glühbirnchen oder Halogen. Wie Du an den Fotos oben sehen kannst, hab ich meine aus Verzweiflung im Spielwarenladen gekauft. Das war auch dort die letzte ohne LED.
LED ist ok für totes Material. Aber leckeres oder gar lebendiges sieht damit nicht gut aus. Dran ändert auch kein Weißabgleich etwas.
Es gibt für viel Geld LED-Licht, das für fotografische Zwecke geeignet sein soll. Aber das ist für diese Art Fotos viel zu hell.
Kerzen im Bild
Bei meinen weihnachtlichen Motiven habe ich Kerzen im Bild. Mit Kerzen ist die ganze Sache nicht so einfach. Das Licht er Kerzen, das quasi dauerhaft an der gleichen Stelle leuchtet, ist in der Summe viel heller als das Licht der Taschenlampe. Um die Kerze entsteht dann ein überstrahlter Lichthof, was nicht gut aussieht.
Bei den Kerzen habe ich deshalb geschummelt und verrate Dir nun, wie ich geschummelt habe.
Zunächst habe ich das Set aufgebaut und die Kerzen angemacht, damit der Docht etwas abbrennt und dabei schwarz wird und die Kerze diesen Eindruck macht, vor wenigen Minuten erst angemacht worden zu sein.
Dann mache ich die Kerze wieder aus und in aller Ruhe mein Lightbrush, wie für jedes andere Motiv auch. Dabei achte ich darauf, dem Kerzenschaft nicht zu viel Taschenlampenlicht zu gönnen. Der darf auf den Lightbrushs ruhig deutlich zu dunkel wirken, besonders oben um die Flamme herum.
Anschließend mache ich noch ein paar Aufnahmen von der brennenden Kerze - oder eben allen Kerzen. Die Aufnahmen mache ich bei gleicher ISO- und Blendeneinstellung, wie die Lightbrushs. Je nachdem komme ich dann auf Zeiten zwischen einer halben und zwei Sekunden. Mach hier ruhig eine längere Belichtungsreihe und wähle später das passende Bild aus.
Im Idealfall hat Dein Stativ nie gewackelt, so dass das Lightbrush und das Flammenfoto exakt übereinander passen. Beide legst Du in einem Bearbeitungsprogramm nun übereinander. Das mit der Flamme nach oben. Dem gibst Du den Ebenenmodus "nur aufhellen" bzw. "aufhellen" oder "Addieren".
Falls die Bilder nicht exakt genug übereinander liegen, dann mußt Du jetzt die obere entsprechend verschieben. Verschieben sollte in aller Regel genügen. Drehen etc. ist nicht nötig.
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Abgrenzung
Das sog. Lightpainting, oder "Zeichnen mit Licht" ist eine verwandte Technik, bei der allerdings die Lichtquelle(n) im Bild zu sehen sind und darin bewegt werden (oder die Kamera wird bewegt) so dass im Bild Lichtspuren davon entstehen.
Also, ... Taschenlampe besorgen und loslegen!
Galerie
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